Wunderschöne, wilde Caresschlucht

Frühmorgens machen wir uns auf den Weg in die Schlucht - (c) Christine Kroll

Der Nationalpark Picos de Europa liegt in Nordspanien, in den Autonomen Gemeinschaften Asturien, Kastilien-León und Kantabrien. Das Karstgebirge mit etwa 200 Gipfeln mit über 2.000m Höhe liegt 20 km von der Atlantikküste entfernt und ist ein beliebtes Wandergebiet. Bereits 1918 wurde das Gebirge aufgrund seiner schützenswerten Flora und Fauna zum Nationalpark und ist seit 2003 sogar ein Biosphärenreservat der UNESCO. Die Routenauswahl in den “Picos” reicht von gemütlichen Spaziergängen am Fuße der beeindruckenden Berge bis hin zu hochalpinen Klettertouren im rauen Gestein. Obwohl das Gebirge mit einer West-Ost-Ausdehnung von etwa 40 km und einer Nord-Süd-Richtung von etwa 20 km relativ klein ist, bietet es eine landschaftliche Vielfalt, die ihresgleichen sucht. An einem Tag wandert man hier aus romantischen Tälern mit reißenden Flüssen über sanfte Almwiesen bis hinauf zu schroffen Berggipfeln.

Eine der schönsten Wanderung des Naturparks verläuft durch die Caresschlucht, die der namensgebende Fluss Cares über Tausende von Jahren in den Fels gegraben hat. Meistens hoch über dem Fluss führt der Weg in elf Kilometern von Poncebos nach Cain. Dabei ist der Weg technisch nicht anspruchsvoll, aber allein die Länge der Tour macht die Wanderung zu keinem Spaziergang.

Ursprung des Wanderwegs ist ein Wasserkanal, der um 1920 oberhalb des Flusses in den Fels geschlagen wurde, um Wasser zu den Elektrizitätswerken von Camarmeña und Arenas de Cabrales zu bringen. Um 1945 wurde dann ein Wartungsweg für diesen Kanal angelegt. Über 500 Arbeiter, darunter auch Frauen und Kinder, waren damals mit dem Bau des Weges beschäftigt, der heute in nahezu unveränderter Form einer der beliebtesten Wanderwege Spaniens ist.

Gleich zu Beginn der Wanderung wartet der anstrengendste Teil: Von Poncebos führt der grobschottrige Weg zunächst bergauf bis zum Pass Los Collaos auf 520 m Höhe. (Der Startpunkt der Route liegt auf ca. 260 m.) Wer früh startet, kann von der Passhöhe bewundern, wie die Sonne langsam hinter den umliegenden Bergen aufgeht und die Landschaft in wunderschöne Rottöne taucht und eine erste Pause einlegen.

Nach einem kurzen, aber steilen Abstieg wird der Weg einfacher und zieht sich nun immer hoch über der Schlucht entlang. Auch wenn der Weg breit ist, ist die Tour nichts für Menschen mit Höhenangst: Teilweise geht es direkt neben dem Weg über 100 m senkrecht in die Schlucht hinab. Der Weg führt durch mehrere in den Fels geschlagene Tunnel und zwei Mal überquert man den Fluss Cares über schmale Brücken, um auf der anderen Seite der Schlucht weiterzulaufen. Immer wieder passiert man unterwegs verfallene Gebäude und eine verlassene Hirtensiedlung, die heute nur noch von Ziegen bewohnt wird. Auf etwa halber Strecke hat bei Culiembro vor über zehn Jahren ein Felssturz den Weg zerstört. Bei der Restaurierung wurde eine Gitterplatte eingebaut, auf der man nun mit etwas Bauchflattern direkt über dem Abgrund steht.

Kurz vor Cain erreicht man die schmalste Stelle der Schlucht, die gleichzeitig vom längsten Tunnel begleitet wird. Selbst in Trockenperioden tropft es hier von Decke und Wänden und unzählige “Fenster” bieten spektakuläre Ausblicke auf die enge Klamm, die hier gar nicht mehr so tief, aber dafür eng ist. Beim Verlassen des niedrigen Tunnels ändert sich die Landschaft radikal und man blickt in das weite offene Tal von Cain.

Nach wenigen hundert Metern entlang des hier breiten ruhigen Flusses hat man schließlich das kleine Örtchen Cain erreicht. Auch wenn es hier einige Unterkünfte gibt, kommen die meisten Besucher nur tagsüber hierher. Zu Mittag ist an schönen Tagen in den Cafés und Restaurants jeder Platz besetzt, während der Ort morgens und abends in eine Art Dornröschenschlaf fällt. Man könnte die Wanderung auch hier beginnen und enden, aber die Anfahrt nach Cain ist deutlich länger und mühsamer als die nach Poncebos, weswegen die meisten Besucher ihre Wanderung dort beginnen.

Nach der wohlverdienten Pause geht es auf dem gleichen Weg zurück. Während mir normalerweise Rundwanderungen lieber sind und ich ein wenig Bedenken hatte, ob die elf Kilometer auf dem selben Weg zurück nicht langweilig werden, wurde ich eines besseren belehrt: Die umgekehrte Perspektive macht den Rückweg genauso abwechslungsreich wie den Hinweg und wir entdecken Dinge, die uns am Morgen gar nicht aufgefallen sind. Nach insgesamt sechs Stunden sind wir mit müden Füßen zurück in Poncebos.

Infos und Tipps
Strecke: Hin und zurück legt man durch die Caresschlucht ca. 22 km und 600 Höhenmeter zurück. Die meisten Höhenmeter werden dabei gleich zu Beginn und noch einmal am Ende zurückgelegt. Technisch ist die Route zwar lang, aber als einfach zu bewerten. Dennoch muss man aufmerksam unterwegs sein. Der Weg verläuft praktisch die gesamte Zeit am Abgrund und hat außer auf ganz kurzen Abschnitten keine Absperrungen.

Schuhe / Kleidung: Nur zu Beginn ist der Weg mit großen Steinplatten ausgelegt, sonst läuft man auf mal mehr, mal weniger grobem Schotter. Feste Schuhe mit guten rutschfesten Sohlen sind somit essentiell. Das Wetter ändert sich schnell in den Picos de Europa, so dass es sich auch bei bestem Wetter empfiehlt, eine leichte Regenjacke im Rucksack zu haben. Bei Cain gibt es die Möglichkeit, im Fluss zu baden. Dafür gehören dann noch Badesachen und ein kleines Handtuch ins Gepäck.

Essen / Trinken: Auf der Strecke zwischen Poncebos und Cain gibt es einige Wasserquellen, an denen man seine Vorräte auffüllen kann. Trotzdem sollte man mit ausreichend Wasser und Proviant zu der Wanderung aufbrechen. In Cain gibt es mehrere Cafés und Restaurants, die von kleinen Snacks und Sandwiches bis hin zu großen Mittagsmenüs alles anbieten.

Nur die halbe Strecke laufen? Auch wenn es zu Fuß “nur” elf Kilometer sind, liegen Poncebos und Cain über die Straße ca. 100 Kilometer auseinander. Wer nur eine Strecke wandern möchte, muss sich entweder mit einer anderen Gruppe zusammentun und mit zwei Autos auf halber Strecke die Fahrzeugschlüssel austauschen oder auf ein sehr teures Jeep-Taxi zurückgreifen, das erschöpfte Wanderer die lange Strecke zurückfährt.

Anreise / Parken: Am einfachsten ist der Startpunkt der Route in Poncebos, etwa sieben Kilometer südlich von Las Arenas, zu erreichen. Man lässt den kleinen Parkplatz der Standseilbahn nach Bulnes links liegen und fährt bis zum Ende der schmalen Schotterstraße. Am Straßenrand gibt es Parkmöglichkeiten, allerdings wird hier vor Steinschlag gewarnt. Wem das zu heikel ist, der kann auf einen großen Parkplatz ca. zwei Kilometer vor Poncebos ausweichen, allerdings verlängert sich die ohnehin schon lange Wanderung um eben diese zwei Kilometer pro Strecke.

Timing: Es empfiehlt sich, die Wanderung (sehr) früh zu beginnen. Zum einen sind die Parkmöglichkeiten knapp und an schönen Tagen bereits um 07:00 Uhr gut belegt. Zum anderen hat man auf der Route wenig Schatten und die Sonne scheint um die Mittagszeit erbarmungslos in die Schlucht. Auch für Fotos ist das Licht in den frühen Morgenstunden schöner. Auf dem Hinweg ist man dann selbst in der Hochsaison noch auf weiten Strecken alleine unterwegs, während einem auf dem Rückweg die später gestarteten Gruppen entgegenkommen. 

Über den Autor*Innen

Wanderfreak Autorin Christine Kroll

Christine Kroll

Mit einer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und anschließendem Studium der Tourismuswirtschaft hat Christine nach dem Abitur ihr Hobby Reisen zum Beruf gemacht. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Produktmanagerin bei verschiedenen Reiseveranstaltern. In ihrer Freizeit ist Christine am liebsten draußen. Je nach Saison findet man sie zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf (Touren-)Ski in den Bergen. Egal ob in den heimischen Alpen oder auf einer ihrer Reisen in Europa und der Welt, draußen aktiv zu sein gehört für Christine immer dazu.