Wundervolles Wandern im Chiemgau

Wundervolles Wandern im Chiemgau - (c) Norbert Eisele-Hein

 

Verschneite Berggipfel und funkelnde Badeseen, blühende Apfelbäume und duftende Streuwiesen, urige Biergärten und lauschige Badestrände - unsere Panoramawanderungen durch den malerischen Chiemgau sorgen für einen weiß-blauen Taumel der Glückshormone.

Eines gleich vorweg: die Chiemgauer Alpen haben einen klimatischen Trumpf im Ärmel. Der Föhn, wohlgemerkt das bayerische Wetterphänomen und nicht der Haartrockner, sorgt jährlich für bis zu 30 % mehr Sonnentage im Vergleich zum Rest der Republik. Somit stehen die Chancen günstig den Chiemgau, den zwischen Inn und Saalach liegenden Teil der Bayrischen Alpen sonnendurchflutet zu erleben. Migräneanfällige verdammen den Föhn, doch Wanderern beschert er knochentrockene Wege und eine umwerfende Fernsicht. Dann reicht der Blick von der Kampenwand, der Königin der Chiemgauer Alpen, weit in den Alpenhauptkamm hinein. Südlich scheint der Wilde Kaiser zum Greifen nah und die schneidigen Eisgrate der Hohen Tauern blinken kühn auf. Nördlich strahlt der Chiemgau in sattem, fruchtbarem Grün. Gekrönt vom Bayerischen Meer - dem Chiemsee, der wie ein überdimensionaler Saphir die Ebene dominiert.

Die Perle des Chiemgaus, die 1668 m hohe Kampenwand bietet unzählige Tourvarianten. Viele lassen sich optimal kombinieren. Zudem lässt sich der Anstieg durch die Seilbahn konditionell schwer entschärfen. Sobald die 1957 erbaute 4-er Gondel in Hohenaschau am Morgen ihren Betrieb aufnimmt, überschwemmen ganze Scharen Wanderlustiger die Gipfelregion mit ihren herrlichen Almwirtschaften. Viele pilgern dann auf dem gut 2 Kilometer langen Panoramaweg direkt unterhalb des Felswalls staunend auf und ab und bleiben letztlich direkt an der Steinling Alm hängen. Die thront zwischen riesigen Felsbrocken auf einer majestätischen Anhöhe unterhalb des Gipfelmassivs. Dort spiegeln sich dann bei einer deftigen Brotzeit die unzähligen Zacken der Kampenwand im Maßkrug, und die Welt ist für die meisten Wandersleut' auch ohne Eintrag ins Gipfelbuch ziemlich in Ordnung.

Wer aber unbedingt ganz hinauf will, muss sich auf jeden Fall etwas plagen.

Denn letztlich enden alle noch so einfachen Varianten irgendwann vor jener verwegenen Gesteinsgestalt, dem  namensspendenden Hahnenkamm-ähnlichen Gipfelwall, dem der Ingolstädter Kartograf Philip Apian schon im ausklingenden Mittelalter, genauer gesagt im Jahre 1560 den Namen „Campen“, verlieh. Hand an den Fels heißt es auf dem folgenden, luftigen und landschaftlich zauberhaften Klettersteig durch die 33 Meter hohen Wände der Kaisersäle. Schwindelfreiheit unbedingt vorausgesetzt. Dass die Kampenwand nämlich eine kleine Diva ist, die nicht jeden so leicht an sich ran lässt, besingt ja schon der Volksmund so frohsinnig: „Wann i mit meina Wampn kannt, na gangat i auf d’Kampenwand“ (Hochdeutsch: Wenn ich nur könnte mit meinem dicken Bauch, ginge ich auf die Kampenwand).

Ein weiterer Panoramaknüller ist der 1587 Meter hohe Nachbargipfel, die Hochplatte. Ein kaum frequentierter, abenteuerlicher Steig führt über die Piesenhauser Hochalm an ihre sanften Gipfelhänge heran. Die Hütte ist eine Augenweide. Wer die Beine auf der Terrasse gemütlich nach Süden streckt bekommt zwischen Watzmann und Wilder Kaiser das komplette Who is Who der Chiemgauer Alpen serviert. Ein toller Übernachtungstipp für Gipfelkombinierer. Und, auf der Biesenhauser wird Schönramer Bier ausgeschenkt. Das Pils der kleinen, feinen Chiemgauer Brauerei wurde schon mehrfach zum besten Bier der Welt gewählt. Tipp: Mit einem kleinen Abstecher, einer zusätzlichen Stunde, lässt sich beim Anstieg zur Hochplatte noch der völlig unbekannte,1432 Meter hohe Friedenrath einschleifen. Ein verschlungener, stiller Pfad durch einen mystischen Waldgürtel, gekrönt von einer Mini-Blockkletterei im untersten Schwierigkeitsgrad, führt zu dem majestätisch über Marquartstein thronenden Felszacken.

Über die Staffenalm und je nach Lust, Laune und Oberschenkelzustand mit der komplett erneuerten Sesselbahn oder zu Fuß runter ins malerische Marquartstein. Auf dem Dorfplatz im Café Marquardt lautstark eine Eiskaffee schlürfen und schon kann es wieder weitergehen. Der Hochgern und der Hochfelln, zwei weitere Chiemgauer Prunkberge warten gleich nebenan. Auch der Hochfelln lässt sich mühelos mit einer riesigen Kabinengondel erschweben. Oben am Gipfel tummeln sich meist etliche Paraglider auf der natürlichen Startrampe. Bei passender Thermik schweben sie nach ein paar Schritten Anlauf in ein überwältigendes Bergkolosseum. Den menschlichen Adlern entgehen allerdings so manch irdische Freud. Der Themenweg rings um den Gipfel mit seinen 22 anschaulich, informativen Tafeln zur Entstehung des Hochfelln, führt durch ein prächtiges Blütenmeer aus Teufelskrallen, Vergiss-mein-nicht und Alpenrosen. Entlang des 40-Minuten Rundwegs wecken etliche Sitzbänke in hübsch umwucherten Panoramanischen romantische Gefühle. Und dann erst der feine Kaiserschmarrn im Hochfellnhaus mit Apfelmus oder Zwetschgenröster, hmmm.

Wenn die Waden zwacken und die Bergstiefel qualmen, kommt die Riviera des Chiemgau gerade recht. Die Trilogie aus Löden- Weit- und Mittersee lädt Wanderer zum erfrischenden Plantschen in einer monumentalen Berglandschaft. Bergschuhe mal am Strand parken und im  Smaragd-grünen Wasser ordentlich runterkühlen, denn das nächste Wander-Dorado steht schon wieder vor der Tür. Reit im Winkl gilt als amtlich verbrieftes Schneeloch. Rosi Mittermaier und die Winklmoos-Alm sind stehende Begriffe im Wintersport. Doch auch im Sommer greift Reit im Winkl schon wieder nach Medaillen. Nirgends in ganz Deutschland gibt es mehr zertifizierte Premium-Wanderwege als hier im äußersten Eck des Chiemgaus. "Premium bedeutet, die Wege zersägen die Landschaft nicht, sondern offenbaren sie. Die majestätische Landschaft und das Gipfelrund fühlen sich nicht erobert sondern geschmeichelt. Das war alles gar nicht so einfach", weiß Florian Weindl, Leiter des Tourismus-Büros in Reit im Winkl, zu berichten. "Das Deutsche Wanderinstitut fordert die Erfüllung eines umfassenden Kriterienkatalogs. Das Wegeformat, die nutzerfreundliche Beschilderung, das Landschaftsbild, urige Gasthäuser, kulturell Interessantes bis hin zu möglichen Lärmemissionen, da kommt alles auf den Prüfstand", zählt Hr. Weindl auf.

Der Anstieg zum Dürrnbachhorn ist ein Gedicht. Sumpfdotterblumen, Schusternägel und Enziane erstrahlen wie kleine Glühlampen im Gegenlicht. Der Blick in die Gipfelrunde verleitet zum Schwelgen. Kühn leuchtet die Schneide des Großvenedigers und der komplett versammelten Zillertaler Alpen. Davor ragt das Kitzbühler Horn in den strahlend blauen Himmel. Der stark gekerbte Wilde Kaiser wirkt von hier aus wie ein Monolith, die sanft grünen Chiemgauer Alpen dagegen fast schon lieblich. Watzmann, Hochkalter und die monumentalen Loferer Steinberge ergänzen dieses alpine Kolosseum. Mindestens ebenbürtig, der Premiumweg "Gletscherblick". Tautropfen blinken im Gras, Sonnenstrahlen brechen sich tausendfach im Astgewirr des Zauberwalds. Von der Hindenburghütte, knapp 1250 Meter über dem Meeresspiegel, geht es über die "Höhe" rauf auf die Hemmersuppenalm und weiter zur Sankt-Anna-Kapelle. Die heilige Anna, die Mutter Marias, gilt als Schutzpatronin für Fruchtbarkeit und Kindersegen. Das schmucke Kirchlein wurde 1902 auf gewachsenem Stein errichtet. Bis zu den Durchkaseralmen unterhalb des 1513 m hohen Windbichl steigt der Weg an, wird etwas felsiger und gibt ganz allmählich ein gewaltiges Panorama frei. Weiter geht's westwärts auf schmalen Pfad durch Latschenkiefern, später auf breiterem Steig bis zum Eggenalmkogel. Über das Rührhübeltal und den idyllischen Wandlwald endet die Premium-Runde nach fünf Stunden wieder bei der Hindenburghütte. Wahrlich, so eine weiß-blaue Überdosis setzt jede Menge Glückshormone frei – auch wenn es in den Schenkeln brennt und der Magen knurrt. Aber die Rettung lässt sich schon erschnuppern. Sissy Dirnhofer, die Hüttenwirtin, hat den Holzofen längst eingeschürt. Es duftet nach frischen Braten und hausgemachten Strudeln. Günter Dirnhofer spielt bereits mit seinen "Bergfex'n" auf.  Der krönende Abschluss für so eine Premium-Tour.  

Infos

www.chiemgau-tourismus.de
www.chiemsee-alpenland.de, umfangreiche Portale mit vielen Pauschalreiseangeboten und Tipps zu allen Aktivitäten.

Anfahrt

BAB 8 – Stuttgart – München - Salzburg, Ausfahrten Frasdorf/Aschau, Bernau, Bergen, Siegsdorf, weiter zu allen Tourstarts, ab München ca. 90 - 125 km.

Zug: bis Prien am Chiemsee und weiter mit Chiemgaubahn in 15 Minuten nach Aschau oder direkt nach Bergen ..., Gruppen fahren mit dem Bayernticket besonders günstig (1 Tag für bis zu 5 Personen für 25 € in Regionalzügen), www.bahn.de

Beste Reisezeit:
Mitte Mai – Oktober

Toureninfo
www.kampenwand.de, live-cam der Kampenwand, Aufstieg von Hohenaschau bis zum Gipfel: ca. 2,5 h

Übernachtung

Sonnenalm, direkt an der Bergstation der Gondelbahn, kleine günstige Zimmer, Ü/F ab 37,50 €, hervorragende Küche mit Bio-Fleisch und phänomenale Rund-um-Sicht. www.kampenwand.de, Tel. 08052-44 11

Hochplatte, 1587 m und Friedenrath, 1432 m
www.marquartstein.de, mit link zur Hochplattensesselbahn

Piesenhauser Hochalm, Tel. 0160-97232192, fantastische Lage, gemütliche Zimmer, Schönramer Bier, Geheimtipp!

Hochgern, 1748 m
www.hochgernhaus.de, umfassende Tipps zu Anstieg, Übernachtung, ...

Hochfelln, 1674 m
www.hochfelln.de, mit Hochfellnhaus (höchstgelegenes Gasthaus des Chiemgau), top Übernachtung, www.chiemgau-bergen.de

www.reitimwinkl.de, großes Wanderportal mit live cams, gratis Download von Wanderrouten und -profilen von den Premium-Wanderwegen Gletscherblick Alpin und Almgenuss, Dürrnbachhorn, Taubensee, Winklmoosalm, Fellhorn ... , gratis geführte Wandertouren.

Tipp: Es wurde gerade der erste TÜV-geprüfte Klettersteig des Chiemgau am Hausbachfall eröffnet.

Übernachtung:

www.hindenburghuette.de, phänomenale Küche, zünftige Hüttenabende mit Vollmondfackelwanderungen, günstiger Shuttle-Dienst hoch zur Hemmersuppenalm, Lowa-Wanderstiefel-Teststation.

www.straubinger-haus.de, bereits auf Tiroler Seite, mit Traumblick auf den Wilden Kaiser, gute Option für eine späte Besteigung des Fellhorns (zum Sonnenuntergang hoch, danach direkt zur nahen Hütte)

Spezial-Wanderkarte 37, Reit im Winkl/Kaiserwinkl, 1:25000, 13.Aufl., detaillierte Topokarte, www.wave.at, 6,50 €

Tipp: Die Gästekarte eröffnet ein außergewöhnlich umfangreiches Gratisangebot an geführten Wanderungen, Radtouren, Kids-Programmen.

Führungen individuell im gesamten Chiemgau: Christian Pichler, www.bergbua.net plant Wunschtouren für kleine und große Touren.

 

Über den Autor*Innen

Norbert Eisele-Hein

Der Münchner Fotojournalist Norbert Eisele-Hein finanzierte bereits sein Ethnologie-Studium in München und London mit bildgewaltigen Reisereportagen für namhafte Magazine. Ehe er sich vollauf der Outdoor- und Actionfotografie widmete, assistierte er bei zahlreichen Studiofotografen in München und London, um das Handwerk von der Pike auf zu lernen. Die Lust am Schreiben wuchs dabei beständig mit.