Ein Almfest wie aus dem Bilderbuch - Chiemgauer Almumtrieb auf der Winkelmoosalm

Chiemgauer Almumtrieb Winklmossalm Reit im Winkl GPS

Morgens acht Uhr, gemütlich sitze ich bei schönstem Sommerwetter auf der Terrasse des Alpengasthofs und Hotels Winklmoosalm und genießen mein Frühstück. Nur die nette Kellnerin:“Was möchtens denn trinken?“ und die Glocken der Kühe unterbrechen die scheinbar totale Ruhe. Doch das wird sich ändern, denn zum heutigen Chiemgauer Almumtrieb werden 5.000 Teilnehmer erwartet, gemütlich bleibt es trotzdem, das kann ich schon einmal verraten.

Seit 2011 findet der Chiemgauer Almumtrieb statt und ist damit das erste Highlight des Chiemgauer Wanderherbst, der Startschuss für die schönsten Wandermonate des Jahres. Was im Chiemgau und vor allem in der Region um die Winklmoosalm alles angeboten wird, das kann man heute erfahren und schon einmal testen. Bei der „Tour de Alm“ wird dem Wanderer erklärt, wie Bauern Freiflächen in den Alpen kultiviert haben und erhalten, bei einer „Kneippwanderung“ wird die Bedeutung des Wassers in den Mittelpunkt gestellt, „Frauen wandern anders“ steht ganz im Zeichen der Sinn- und Besinnlichkeit, bei „Biking Kids“ erhalten Kinder und Jugendlichen einen Schnupperkurs für Mountainbike-Fahrsicherheit, E-Bikes können getestet werden und vieles mehr.

Ich selbst habe mich entschlossen an drei Schnupperwanderungen teilzunehmen. Zwei davon betreffen Kinder und Jugendliche, denn ich finde es wahnsinnig wichtig, dass man diesen die Natur näher bringt und sie dafür begeistert. Die Dritte ist eine Kräuterwanderung in der man erklärt bekommt, dass es kein Unkraut gibt. 

Ich starte mit der „Walderlebnistour“. Die Firma Parker Outdoor bietet in Reit im Winkl, am Chiemsee und in München zahlreiche Möglichkeiten Outdoorerfahrungen zu sammeln. Insbesondere für Jugendliche gibt es ein vielfältiges Angebot. Zusammen mit 7 Jugendlichen, 3 Mädels, 4 Jungs und dem Coach Olli treffe ich mich am Startpunkt einer GPS-Tour. Nach einer kurzen Einweisung durch Olli, geht es auch schon los. Jeweils mit einem GPS-Gerät bewaffnet geben uns die Kids den Weg vor. Es gilt einen vorprogrammierten Track abzulaufen, Wegpunkt für Wegpunkt muss gefunden werden und gleichzeitig gibt es von Olli Nachhilfeunterricht in Sachen Himmelsrichtung und Sonnenstand. Schnell wird den Jugendlichen klar, ein GPS-Gerät ist eine technische Unterstützung, aber das Denken wird einem nicht abgenommen. Es macht richtig Spaß zu sehen mit welcher Begeisterung alle dabei sind. Vom Anfang bleiben wir noch auf den Wegen, doch nach dem dritten Wegpunkt führt uns das GPS quer durch den Wald zu einem Schießstand. Hier dürfen sich alle als Belohnung bei Pfeil und Bogen oder Lasergewehrschießen üben.

Als zweites begebe ich mich zu den „Waldschnecken“. Kati, Marlies und Lydia nehmen sich hier der kleineren Kinder an. So wie sie das zweimal wöchentlich in Reit im Winkl anbieten. Jeweils Dienstag und Donnerstag von 9:30 Uhr bis 15 Uhr kann man ihnen seine Kinder von 3-10 Jahren anvertrauen und selbst eine geführte Bergtour oder etwas anderes unternehmen. Schnell sind die Kinder mit den Dreien warm. Auf dem Programm stehen Spiele, Basteln und Naturerlebnis. Zunächst geht es mit dem Bollerwagen los und jeder möchte einmal Pferdchen sein. Auf einer nahe gelegenen Wiese gibt es das erste Spiel und spätestens jetzt sind die mitlaufenden Eltern überflüssig. Danach geht es weiter, links und rechts sieht man staunende Kühe, die dem Treiben der jungen Menschenkinder nicht ganz trauen. Wir treffen uns alle beim Fichtenfernsehen, in einer Kette gehen wir unter den Fichten her und bleiben immer wieder stehen, schauen vor unsere Füße und entdecken Pferdeäpfel, Käfer, Tannenzapfen und vieles mehr. Bevor die Waldschnecken jetzt weiter ziehen verabschiede ich mich, denn ich möchte zur nächsten Themenwanderung der „Welt der Kräuter“ 

Schon werde ich von der Huber Leni erwartet. Die Leni führt mit ihrem Mann einen Biobauernhof und hat sich in ihrer Freizeit zur Kräuterpädagogin ausbilden lassen. 15 Erwachsene haben sich eingefunden um der Leni zu lauschen, denn was sie zu erzählen hat verwundert einen Kräuterlaien wie mich und ich frage mich am Ende der Wanderung, warum ich mich nicht viel mehr mit unseren einheimischen Kräutern beschäftige. Ob Brennnessel oder Löwenzahn, Frauenmantel oder wilder Kümmel, wilde Möhre oder Schafgarbe, die Leni zeigt uns allein in dieser Stunde sicherlich 20 verschiedene Kräuter, nennt ihre Heilwirkungen und zeigt uns verschiedene Zubereitungs-möglichkeiten auf. Wussten sie, dass Spitzwegerich ein natürliches Pflaster ist und dank seiner antibiotisch wirkenden Inhaltsstoffe entzündungshemmend wirkt? Bei einem Wespen oder Bienenstich muss man ihn ausdrücken und die Flüssigkeit auf den Stich träufeln, sofort stoppt die Schwellung und der Heilungsprozess wird beschleunigt. Und angeblich ist der Samen der Brennnessel das natürliche Viagra. Man bekommt von der Leni das Bewusstsein für die Heilkräfte der Natur erweitert.

Auf dem Rückweg treffe ich noch zwei Musikbegeisterte. Takeo Ischi, der jodelnde Japaner und Andrea Wittmann, die Vollblutmusikerin aus dem Chiemgau. Singend, jodelnd und mit der Quetschen bieten sie die „Bergvagabunden“ dar. Und auch wenn mir die Andrea besser gefällt, jodeln kann er schon, der Japaner. Einmal auf den Geschmack gekommen gehe ich zum Berggasthof Almstüberl und lass mich bei einer Halben Bier und einem Hirschgulasch musikalisch berauschen. Die Schuhplattler, Kuhglocken-spieler und Jodler runden das Programm ab. Längst ist der offizielle Teil vorbei, die meisten sind bereits im Tal, als ich wieder auf der Terrasse des Alpengasthofs sitze und den Sonnenuntergang bei Kuhglockengeläut genieße. Und schon jetzt notiere ich mir den Termin für nächstes Jahr, denn am letzten Sonntag in den Bayerischen Sommerferien findet der 3. Chiemgauer Almumtrieb statt.

Film zum 2. Chiemgauer Almumtrieb

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.