Klettersteiggehen boomt

Egan Resch General Manager technische Hartware der Salewa Group

Ein Gespräch mit Egon Resch dem General Manager Technische Hartware SALEWA Group

Wanderfreak: „Grüß Gott Herr Resch. Klettersteiggehen boomt nach wie vor. Welche Ausrüstung sollten die Alpinisten unbedingt bei einer Via Ferrata dabei haben?“
               
Egon Resch: „Für Anfänger und erfahrene Klettersteiggeher gilt gleichermaßen die folgende Checkliste an Ausrüstung: Klettergurt, Helm, Klettersteigset, Handschuhe und eine zusätzliche Bandschlinge mit einem Karabiner. Zudem sollte der Bergsportler auf Bergschuhe mit entsprechendem Profil nicht verzichten. Funktionale Bekleidung, Topo oder eine Karte, Sonnenschutz und ausreichend Verpflegung und Flüssigkeit im Rucksack sollten ebenso nicht fehlen.

Vor jeder Tour sollte die Wetterprognose bekannt sein – stabiles Bergwetter ist eine Grundvoraussetzung für den Einstieg in den Klettersteig. Gute Laune und Freude am Sport tragen zu einem erfolgreichen Tag bei.“

WF: „Wie funktioniert ein Klettersteigset?“

Egon Resch: „Grundsätzlich ist ein Klettersteigset eine Selbstsicherung für einen einzelnen Kletterer am Klettersteig. Klettersteigsets zählen zur Persönlichen Schutzausrüstung (PSA). Wer das erste Mal in einen Klettersteig einsteigt, geht beim Ausrüsten folgendermaßen vor: Zunächst wird der Klettergurt angezogen, so dass dieser optimal sitzt. Das Klettersteigset wird in einem zweiten Schritt mit einem Sackstich in die Einbindeschlaufe vom Klettergurt gebunden. Die so genannten zwei „Arme“ des Klettersteigsets werden mit den am Ende integrierten Karabinern in das Stahlseil eingehängt. Sobald man den ersten Haken erreicht, hängt man einen Karabiner nach dem anderen um. Wichtig ist, dass immer mindestens ein Karabiner im Stahlseil eingehängt ist.

Für den Fall eines Sturzes, besitzt ein Klettersteigset auch einen Energieabsorber, einen sogenannten Falldämpfer, welcher die auftretenden Kräfte reduziert. Nur durch einen Falldämpfer kann das Gesamtsystem einen Sturz aushalten, das beginnt beim menschlichen Körper und geht über die persönliche Ausrüstung wie Karabiner, Klettergurt etc. bis hin zur Verankerung des Klettersteiges. Ein Seilstück, Bandschlinge oder ähnliches kann einen Sturz nicht abfangen, das schwächste Glied bricht.“

WF: „Aktuell wurde eine große Rückrufaktion von Klettersteigsets durchgeführt. Auch bei Salewa. Was waren die Gründe dafür und wie reagierten die Verbraucher?“

Egon Resch: „Nachdem im Sommer 2012 einige Hersteller ihre Klettersteigsets mit elastischen Armen zurückrufen mussten, hat man sich in der ganzen Industrie darauf verständigt, noch genauer hinzuschauen und weitere Tests durchzuführen. Im Zuge dessen haben wir, ebenso wie andere Hersteller und Institutionen der Bergsportindustrie, umfangreiche Tests an alten, gebrauchten Klettersteigsets vorgenommen und dabei festgestellt, dass die Systeme mit Seilbremsen im Fall eines Sturzes versagen können. 

Die Funktion eines solchen reibungsabhängigen Bremssystems basiert darauf, dass bei einem Sturz das Bremsseil durch eine Bremsplatte läuft und dabei die Energie aus dem Sturz langsam absorbiert. Wenn nun das Bremsseil durch Verschleiß, Verschmutzung, Feuchtigkeit und ähnliche Einflüsse dicker und steifer wird, kann es nicht mehr so gut durch die Bremsplatte laufen und baut weniger bis keine Sturzenergie mehr ab – der Sturz wird nicht mehr so dynamisch aufgefangen. Dadurch erhöht sich der Fangstoß, der auf die anderen Teile des Systems (Karabiner, Karabinerarme, Klettergurt) wirkt. Es könnte zu Überlastungen und zum Bruch kommen.

Um jedes Risiko für unsere Kunden auszuschließen, haben wir uns entschlossen, vorsorglich alle Klettersteigsets mit Seilbremsen umgehend vom Markt zurückzurufen. Natürlich sind Verbraucher zunächst beunruhigt über eine solch großangelegte Rückrufaktion. Wir konnten allerdings in einem intensiven Dialog mit unseren Kunden, viel Unsicherheit beseitigen. Größtenteils war das Feedback für den ehrlichen und transparenten Umgang mit dem Thema sehr positiv. Wir arbeiten jetzt mit Hochdruck daran, alle vom Rückruf betroffenen Klettersteigsets mit Seilbremse, schnellstmöglich durch Sets mit Bandfalldämpfer auszutauschen.“ 

WF: „Welche besonderen Maßnahmen trifft Salewa als Multispezialist für den Bergsport für die Sicherheit beim Trendsport Klettersteig?“

Egon Resch: „Wir gehen die Thematik ganzheitlich an, indem wir mit Bergführern, Athleten und Institutionen stark vernetzt zusammenarbeiten. Der Erfahrungsaustausch ist hierbei besonders wertvoll. Zudem setzen wir insbesondere auf die passive Sicherheit, das bedeutet, dass wir unsere Neuentwicklungen danach auslegen, dass sie nicht nur im Falle eines Sturzes das Schlimmste verhindern, sondern so, dass es möglichst erst gar nicht zum Sturz kommt. Erfahrungsgemäß treten viele Unfälle im Klettersteig in Übermüdungs-/ Überlastungssituationen auf. Speziell das Umhängen der Karabiner am Stahlseil stellt eine Stresssituation dar, denn für die Dauer des Umhängevorganges hat man nur eine Hand frei, um sich festzuhalten, während man mit der anderen die Karabiner bedient. Unser neuer ERGOTEC Karabiner, der ab Frühjahr 2013 im Sportfachhandel verfügbar ist, entschärft durch seine intuitive, vielseitige und kraftsparende Handhabung diese kritische Stresssituation wesentlich. Der Karabiner wurde an die anthropometrischen Daten der Hand angepasst, dadurch liegt er besonders gut in der Hand und kann problemlos bedient werden, auch von kleinen Händen oder mit dicken Handschuhen. So funktioniert das Umhängen der Karabiner reibungslos und quasi nebenbei, und man kann sich vor allem auf das Klettern konzentrieren. Man muss sich weniger lang nur mit einer Hand festhalten und spart dadurch nicht nur Zeit, sondern vor allem Kraft und Energie. Mehrere Tests an Klettersteigen, an der Kletterwand und eine Studie in Zusammenarbeit mit der Technischen Universität München (TUM) bestätigen eine Einsparung von ca. 30% bei Zeit oder Energieaufwand. Zusätzlich zu dem neuen ergonomisch-geformten Karabiner Ergotec setzen wir stark auf unser bewährtes Zip-System, ein Aufrollmechanismus, der ein durchgehendes, statisches Band auf kurzer Distanz zum Körper hält. Somit ist der Karabiner beim Umhängen immer in Reichweite. Bei Gehpassagen liegt dieser eng am Körper ohne Schlaufen zu bilden, in denen der Bergsportler hängenbleiben bzw. sich verfangen kann. Sollte einem der Karabiner mal aus der Hand fallen, dann ist die Gefahr des Stolperns nahezu ausgeschlossen.“

WF: „Wie gefährlich ist ein Klettersteig?“

Egon Resch: „Die Begehung eines Klettersteigs ist meist ein alpines, oder sogar hochalpines Unternehmen. Man sollte sich und seine Fähigkeiten, sowie die der Mitkletterer nicht überschätzen und immer die Umwelt mit Wetter, Höhe und Jahreszeit berücksichtigen. Wir empfehlen zunächst leicht einzusteigen und auf die Möglichkeit von Zwischenausstiegen zu achten. Auch der Abstand zum Vorder- und Hintermann, sollte immer mindestens ein Haken betragen. Ein Sturz im Klettersteig hat meist Folgen und darf nicht mit einem Sturz im Klettergarten verglichen werden, denn Stufen, Sprossen, Leitern, Verankerungen und Stahlseile sind Hindernisse an denen man sich leicht verletzen kann. Wir raten Anfängern dazu, sich für den Einstieg in den Klettersteig professionelle Unterstützung zu buchen – insbesondere dann, wenn die Klettersteigtour mit Kindern geplant ist und Unklarheiten hinsichtlich des Sports bestehen. In so einem Klettersteigkurs, z.B. bei der Klettersteigschule in Berchtesgaden (ca. 6 Stunden Theorie und Praxis), lernt man Risiken und Gefahren viel besser einzuschätzen. Zudem können Fragen und Unsicherheiten von Beginn an kompetent geklärt werden.“

WF: „Immer öfter wagen sich Familien an einen Klettersteig. Worin liegt die Faszination?“

Egon Resch: „Für Kinder ist eine normale Wanderung nicht selten zu langweilig. Sie möchten mehr Abenteuer am Berg. Der Klettersteig bietet da eine tolle Plattform: Man kann zusammen kraxeln und nebenbei die Bergwelt genießen. Der Unterschied zum alpinen Klettern liegt darin, dass man sich nicht immer wieder kurz am Standplatz trifft und sonst eigentlich alleine klettert, sondern man hat die soziale Nähe. Das ist für Kinder sehr wichtig. Zudem ist der Schritt vom Wandern zum Klettersteiggehen naheliegender als zum Alpinklettern.“

WF:Vielen Dank Herr Resch, vielleicht sieht man sich ja einmal in einem Klettersteig“

Über den Autor*Innen

Jörg Bornmann

Als ich im April 2006 mit Wanderfreak an den Start ging, dachte noch keiner an Blogs. Viele schüttelten nur ungläubig den Kopf, als ich Ihnen von meinem Traum erzählte ein reines Online-Wandermagazin auf den Markt zu bringen, welches eine hohe journalistische Qualität aufweisen kann, eine Qualität, die man bisher nur im Printbereich kannte. Mir war dabei bewusst, dass ich Reisejournalisten und Spezialisten finden musste, die an meine Idee glaubten und ich fand sie.