„Zit neh Füranand (Zeit nehmen füreinander)“

Bei der Planung für den Sommerurlaub mit meiner 9jährigen Tochter Sandra, bin ich auf ein Angebot aus dem Brandnertal in Vorarlberg gestoßen, dass sich für mich traumhaft anhört. „Zit neh Füranand (Zeit nehmen füreinander)“ auf der Palüdhütte, das ist doch genau das, was vielen von uns fehlt, Zeit, die man sich nicht mehr nimmt. In Zeiten von Stress, Burnout und Zeitmangel wird es wichtig sich wieder zurück zu besinnen, sich Zeit zu nehmen, Freiräume schaffen. In Zeiten von Laptop und Handy muss man sich abkömmlich machen, sich, seinem Lebenspartner und/oder Kindern Zeit füreinander geben, eben „Zit neh Füranand (Zeit nehmen füreinander)“.

Gut passt das, denn wir hatten Vorarlberg als Reiseziel eh in der engeren Auswahl. Ein kurzes Gespräch mit meiner Tochter und auch sie ist begeistert von meinem Vorschlag, denn neben dem Aufenthalt auf der Palüdhütte stehen mit Klettergarten, Naturschwimmbad, Barfußweg, Wasserfall und Almbesuch eh viele Punkte an, die ein „Nein“ meiner kleinen Großen zum Brandnertal fast ausschließen. Eins kann ich sicher jetzt schon vorweg nehmen, ohne die Spannung auf den Bericht kaputt zu machen, die zwei Tage auf der Palüdhütte werden sowohl für Sandra als auch für mich zum absoluten Highlight im Brandnertal. 

Nachdem wir bereits einige Tage im Brandnertal verbracht haben, uns akklimatisiert hatten, also weniger wegen der Höhenluft als vielmehr wegen der Sprache :), starten wir am ersten Augustsonntag direkt von unserem Hotel Lün in Brand, besuchen zunächst noch den Kletterpark und überwinden dann, es ist schon fast 13 Uhr mit der „Dorfbahn“ die 400 Höhenmeter von Brand bis kurz unterhalb des Barfußweges. Den wollen wir auch noch wandern, bevor wir dann endgültig zur Palüdhütte laufen. Aber das mit dem Barfußweg ist eine andere Geschichte.

Neben dem Barfußweg erwartet uns noch ein Nutzweg und ein Pfad durch Wald und Wiesen, bevor wir nach etwa 1 ½ Stunden links vor uns die Palüdhütte liegen sehen. Sabine, die Hüttenwirtin erwartet uns bereits. Noch sitzt sie am Laptop und bestückt die Facebook-Fanseite der Palüdhütte mit neustens Infos und Bildern. „Ja, auch das gehört heute zur Arbeit einer Hüttenwirtin“, so Sabine, „aber fürs Internet und Emails nehme ich mir täglich nur eine begrenzte Zeit und mein Mann Christian beschäftigt sich damit fast gar nicht. Am Besten ich stelle ihn Euch gleich mal vor, dann könnt Ihr mit ihm besprechen, was er für Euch Morgen plant, oder habts Durst?“ Natürlich haben wir Durst und nach einem Radler und einem Almdudler bringt uns Sabine in die Werkstatt zu ihrem Mann Christian.


Christian stammt aus einer Hoteliesfamilie aus Brand. Nachdem er neben der Tätigkeit in der Hotelführung, viele Jahre als Chefkoch für das elterliche Hotel zuständig war, für das Familienhotel die kompletten Kinder- und Familienprogramme entwickelte und umsetzte, hat er sich vor zwei Jahren einen Traum erfüllt und mit seiner Sabine die Palüdhütte gepachtet. Schnell merkt man, dass er hier seinen Traum verwirklicht. Wir treffen ihn zum ersten Mal in seiner Werkstatt. Dort schreinert Christian mit zwei Gästen aus der Schweiz einen riesigen Schaukelstuhl aus mitgebrachten Bretten und Rundhölzern aus Vorarlberger Birke und Haselnuss. Auch das ist „Zit neh Füranand (Zeit nehmen füreinander)“.

Wir besprechen unser Programm für den Montag. „Zwei Mädels stoßen morgen mit ihrer Mutter noch zu uns. Als erstes werden wir Bogenschießen, danach gehen wir zum Angeln an den Weiher und dann wirst Du zusammen mit Deinem Papa noch einen Hocker bauen. Ist das ok für Dich?“ fragt Christian. Noch lange sitzen wir zusammen, zwei Schweitzer, zwei Vorarlberger und zwei Bayern, essen zusammen, genießen die Ruhe und erzählen zwischen dieser Ruhe immer wieder von ihren Ideen, Träumen, ihrem Leben und genießen die Zit mitanand.  


Früh am Montag starten wir in den neuen Tag, besser gesagt ich starte, ich dusche mich, mach mich nach einem erholsamen Schlaf auf 1.700 m fertig für den Sonnenaufgang. Schön ist er schon, aber leider nicht so spektakulär, wie ich ihn erhofft habe. Keine Spiegelung, keine Lichtbrechung in den Wolken, weil sie nicht da sind. Der Himmel ist blau in blau, wie am Abend vorher, als die Sonne untergegangen ist. Und die Temperaturen sind auch gleich oben, bereits deutlich über 20°C auf 1700 Hm. Um sieben werfe ich Sandra aus dem Bett und um acht Uhr sitzen wir beim Frühstück vor der Palüdhütte. Selten haben wir zusammen in einer solchen Ruhe gefrühstückt.

Zwei Stunden haben wir Zeit bis unser Gruppenzuwachs aus Ravensburg kommt. Für einen Tagesausflug fast zu schade, aber machbar ist die Palüshütte und die „Zit neh Füranand (Zeit nehmen füreinander)“ auch an einem Tag. Je nach Jahreszeit fängt das Programm von Christian bereits bei der Bergbahn an, doch für Kräuter im Frühjahr und Schwammerl im Herbst sind wir halt in der falschen Zeit hier. Abgestimmt auf die Jahreszeit und die Wünsche der Gruppe passt Christian „sein“ Programm an. „Das Programm kann ALLES!“  

Christian plant wegen der Hitze den Tagesablauf ohne viele Wege für uns. Und so starten wir mit dem Bogenschießen. Das war ein Grund weshalb Sandra mit mir hier her wollte! Vor etwa zwei Monaten hat sie das erste Mal die Pfeile mit dem Bogen auf 3D-Ziele verschossen und ist seit dem Feuer und Flamme. Jetzt haben wir einen Meister bei uns, Christian, der lange Jahre in der Weltspitze der Langbogenschützen geschossen hat, erklärt uns allen worauf es beim Bogenschießen ankommt. „Normal ist die Zeit zu kurz und man müsste allein fürs Bogenschießen eine Woche investieren. Im Tal habe ich mit einem Freund eine Bogenschule, da gehen wir sehr genau auf Bogentechnik und die Automatismen
des Bewegungsablaufes ein. Doch einen kleinen Eindruck bekommt man auch in diesen 2 Stunden“, so Christian, der bereits die Österreichischen Skispringer dem Bogenschießen näher gebracht hat. Er erklärt uns ausführlich den Unterschied zwischen dem technischen Können und dem aufs Ziel orientierten Schuss. „Beim Bogenschießen ist das finale Denken Voraussetzung. Konzentriere Dich auf Dein Ziel.“ ist seine Maxime. Gerade die Kids setzen das schnellstens um. Und so platzt ein Luftballon nach dem anderen.

Man könnte es den Palüdhütten-Triathlon nennen, denn nach dem Bogenschießen, „bewaffnen“ wir uns mit der Angelausrüstung. Nach etwa zehn Minuten erreichen wir den Forellenteich. Unterwegs mussten wir noch Würmer suchen, was sich aufgrund der Hitze und Trockenheit als schwierig erweist. „Für drei Forellen sollten die Würmer langen“, so Christian, „das gibt dann pro Person halt nur ein Filet.“ Gesagt getan, nach einer kurzen Einweisung geht es los, Würmer an die Angel und auswerfen, Christian zeigt uns wie das geht und übergibt uns dann die Angelrute. Hoppla, schon hat einer gebissen. Wir versuchen den Fisch ans Ufer zu holen, damit man ihn mit dem Kescher aus dem Wasser holen kann. Doch oh je, die ersten beiden Filets lösen sich vom Haken und sind auf und davon. „Wir angeln mit Haken ohne Widerhaken, beißt ein Fisch nicht richtig, kann er den Haken wieder ausspucken ohne sich zu verletzen“, erklärt uns Christian, „natürlich wird es dadurch schwerer ihn sicher an Land zu holen.“ Bald beißt die zweite Forelle und die holen wir an Land. Beim Schlag hinter den Kopf schauen die Mädels noch weg und nach einem „Petri Heil“ von Christian antworte ich auch mit „Petri Heil“ und werde selbstverständlich darüber aufgeklärt, dass es „Petri Dank“ heißen müsste. Nachdem wir uns noch weitere vier Filets gesichert haben, machen wir uns stolz auf den Weg zurück zur Palüdhütte.  

Heiß ist es und schnell stehen Almdudler, Wasser und Radler auf dem Tisch. Eine kurze Verschnaufpause, bevor es ans Ausnehmen und Filetieren der Fische geht. Christian übernimmt das und die Mädels atmen auf, ich glaube sonst hätte es Fischstäbchen gegeben. Bereits beim Zuschauen verziehen sie die Gesichter, sind aber trotzdem interessiert, wie klein so ein Herz einer Forelle ist, wie groß die Schwimmblase sein kein und nachdem auch der Rogen der weiblichen Forelle von Christian erklärt wurde, geht es zum filetieren. Er paniert die Forellenfilets für die Kids und serviert sie uns mit einem sommerlichen Salat, einem Vorarlberger Kräuterpesto (dem berühmten Pälüdhütter Kräuterzauber, bzw. die berühmten Pälüdhütter Zauberkräuter - sobald Sabine und Christian sich über die richtige Bezeichnung einig sind, lassen wir es Euch wissen, oder Ihr findet es selbst heraus, wozu wir nur raten können) und einem Sauerrahmdip. Auch einem Mädel aus der Runde schmeckt es ausgezeichnet, obwohl sie sonst nie Fisch isst und Sandra verdrückt gleich zwei Filets, nachdem Christian ihr seinen Fanganteil weitergereicht hat.

Nach dem Essen geht es für uns zum letzten Teilstück des Triathlons. Wir bauen zusammen einen Hocker, jedes Elternteil mit seinem Kind. Drei Formen der Sitzfläche gibt es zur Auswahl, ein Dreieck, einen Kreis oder ein Achteck. Während man die ersten beiden schön auf drei Füße stellen kann, braucht es beim Achteck rein optisch vier Füße. Natürlich ist es schwieriger ein Objekt auf vier Füßen zum wackelfreien Stehen zu bekommen und auch natürlich, Sandra sucht sich genau das aus. Ihr Papa wird das schon richten, obwohl dieser ja eher mit der Tastatur vom Laptop, denn mit der Bandsäge umgehen kann. Aber es hilft ja nichts, „Zit neh Füranand“, heißt auch „Wünsche frei fürs Kind“. Christian sägt uns eine Uhraltbohle mit fantastischer Maserung grob zu. Jetzt geht es für uns ans Überlegen. Wie schaffe ich ein Achteck? Der letzte Matheunterricht ist doch schon etwas her. Wir schaffen es, versägen aber wegen Unkonzentriertheit die erste Sitzfläche, noch ein Rohling her und siehe da es klappt. Jetzt wird geschliffen, die Kanten werden gebrochen, Haselnussäste werden auf Länge geschnitten und den Bohrungen im Sitz angepasst, einleimen und zum Schluss noch ölen, der Hocker ist fertig, der Papa schwitzt, das Kind ist glücklich.


Unsere Ravensburger Mitstreiter machen sich jetzt wieder auf den Nachhauseweg. Wie gesagt, nur einen Tag hier zu verbringen, auch wenn die Anreise von Ravensburg kurz ist, ist schade. Gerade die lauen Abende und die wundervolle Ruhe am Morgen machen dieses Rundumwohlfühlerlebnis aus. Und was uns für ein wundervoller Abend bevorsteht können wir noch gar nicht erahnen. Zunächst geht es auf Wunsch von Sandra für uns beide noch einmal zum Angeln, trotz Genickschlag und Ausnehmen, sie hat Spaß daran gefunden.

Nach zwei Stunden machen wir uns auf den Rückweg zur Hütte. In den Tälern ringsum ziehen langsam die Gewitter auf. Im hinter uns liegenden Liechtenstein blitzt und donnert es schon gewaltig, doch bei uns ist es schön. Christian hat inzwischen mit den beiden Schweizer Gästen, das sind die beiden Netten mit dem Schaukelstuhlprojekt, das Lagerfeuer angefacht und bereitet die Fleischstücke auf dem mit dieser Glut befeuerten Grill. Es gibt Lamm, Rind und Schwein, nur leicht gesalzen und dann auf diesem Lagerfeuergrill im Stück gegrillt. Dazu Kräuterzauber/Zauberkräuter, verschieden Dipps, Tomaten, ein gutes Brot und einen Apfelmost, für Sandra einen Almdudler. Genau, was sich ein Genussfreak auf 1.700m wünscht.

Das Essen ist sensationell, doch das Feuerwerk, dass uns die Natur dabei fast drei Stunden liefert ist unbeschreiblich. Egal in welche Himmelsrichtung wir schauen sehen wir die Blitze, teilweise direkt, teilweise deren Spiegelungen in den Wolken. Kein Feuerwerker, und jetzt seid Ihr Feuerwerker mir bitte nicht böse, ich halte Euer Handwerk für eine Kunst, könnte je so ein Spektakel inszenieren, wie wir es an diesem Abend erleben dürfen. Erst nach weit über zwei Stunden zieht das Wetter auch ins Brandnertal, jetzt heißt es Gas geben, denn die Terrasse mit Bierbänken und Sonnenschirmen muss noch vor dem Gewitter gesichert werden. Kaum sitzen wir in der Hütte bricht auch bei uns das Wetter los und kaum fünf Minuten später hagelt es. Sandra geht mit Christian noch einmal kurz vor die Hütte um „gefrorene Wolkentränen“ zu lutschen.  

Beim Frühstück genießen wir abermals die absolute Ruhe. Dann heißt es Abschied nehmen. Knapp zwei Stunden brauchen wir für den Fußweg ins Tal. Unser Urlaub im Brandnertal ist leider vorbei.

Am Ende der Berichterstattung von „Zit neh Füranand“ kann ich für mich und auch für Sandra nur sagen: „Es waren wunderschöne Tage auf der Palüdhütte. Vielen Dank Sabine und Christian, wir kommen wieder.“ Und ich kann jedem, der mit seinem Kind einmal etwas ganz besonderes fern vom alltäglichen Stress erleben möchte empfehlen: „Nutzt dieses Angebot. Es ist sehr flexibel zu gestalten. Sprecht mit Christian Eure Wünsche ab und Ihr lernt Euch gegenseitig von einer neuen Seite kennen.“ 

Tagesprogramm:

91,- € für 1 Erwachsenen und 1 Kind, inkl. Bergbahnfahrt, Mittagessen und Material

Wochenende:
263,- € für 1 Erwachsene und 1 Kind, inkl. ÜN, HP und Material.

Buchung und weitere Infos unter www.paluedhuette.at oder www.brandnertal.at/familie

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