
Das kleine Binnenland Bhutan im östlichen Himalaya, eingeschlossen von Indien und Tibet (China), gilt als glücklichstes Land der Welt. Tatsächlich ist der wichtigste Maßstab für das Wohl der Einwohner des buddhistischen Königreichs das Bruttonationalglück, das der König selbst im Auge behält.
Neben unzähligen Tempeln und Klosterburgen, die es im Land zu bestaunen gibt, ist für die meisten Besucher der Höhepunkt Ihrer Reise die Wanderung zum Paro Taktsang, dem berühmten Tigernest Kloster.
Auf etwa 3.140 m über dem Meer klebt das Kloster förmlich hoch über dem Tal von Paro am Fels. (Die Höhenangabe variiert, je nach Quelle liegt das Kloster auf 3.120 m bis 3.145 m Höhe.) Allein die Bilder sind beeindruckend und steht man schließlich vor dem Kloster, fragt man sich unweigerlich, wie die Baumeister es im 17. Jahrhundert geschafft haben, das Kloster in dieser schwindelerregenden Lage zu errichten.
Die Legende besagt, dass Guru Padmasambhava, auch bekannt als Guru Rimpoche, im 8. Jahrhundert auf dem Rücken seiner Frau, die sich in eine Tigerin verwandelt hatte, zum Kloster flog. Dort ließ er sich in einer Höhle nieder und meditierte drei Jahre, drei Monate, drei Wochen, drei Tage und drei Stunden. Seither gilt der Ort als heilig und viele buddhistische Gurus und andere religiöse Persönlichkeiten folgten Rimpoche hierher, um zu meditieren.
Im 17. Jahrhundert wurde an dem heiligen Ort schließlich ein Kloster errichtet und immer wieder erweitert. Unzählige Brände, meist ausgelöst durch die traditionellen Butterlampen, die in allen Tempeln brennen, zogen das Kloster immer wieder in Mitleidenschaft, bis 1998 ein größeres Feuer wichtige Teile des Haupttempels zerstörte. Finanziert vom Königshaus wurde das Kloster über mehrere Jahre aufwändig restauriert und im Jahr 2005 wieder eröffnet. Seitdem dürfen die Butterlampen nur noch in einem speziellen Tempel entzündet werden, der rund um die Uhr von einem diensthabenden Mönch bewacht wird. Die Haupttempel werden heute von elektrischen Lichtern beleuchtet, was zwar nicht so schön ist, wie Kerzenlicht, dafür aber sicher.
Als wichtiger Pilgerort ist das Tigernest Kloster nur zu Fuß zu erreichen. Etwa 850 Höhenmeter sind vom Parkplatz im Tal bis zum Kloster zu überwinden. Die Wanderung ist technisch nicht anspruchsvoll, allerdings sollte die Höhenlage nicht unterschätzt werden: Von 2.300 m im Tal geht es hinauf auf etwa 3.140 m und selbst trainierte Wanderer merken hier, dass einem hier weniger Sauerstoff zur Verfügung steht. Die Luft hat zwar überall und in jeder Höhe einen Sauerstoffanteil von etwa 21%, durch den geringeren Luftdruck steht in der Höhe aber weniger Sauerstoff zur Verfügung.
Vom Parkplatz geht es zunächst moderat und fast eben in Richtung Wald. Hoch oben sieht man die Klostergebäude am Fels kleben. Von hier sehen sie fast unerreichbar aus, aber so schlimm wird es gar nicht. Im Wald passiert man zunächst eine Gebetsmühle, die von einem Bach angetrieben wird. Nach jeder Runde gibt ein kleines Glöckchen einen sanften Klang von sich. Hier beginnt dann der Aufstieg und es geht zunächst auf einem breiten Weg mit komfortabel angelegten Stufen stetig bergauf. Nach einigen hundert Höhenmetern erreicht man schließlich ein Plateau mit einer Reihe von Gebetsmühlen und Bänken, die zu einer ersten Rast einladen. Für ein gutes Karma für den restlichen Aufstieg sollte man es nicht versäumen, die Gebetsmühlen drei Mal im Uhrzeigersinn zu umrunden.
Nach etwas weniger als der Hälfte der Strecke erreicht man das Tigernest Café, von dem man bereits einen sehr schönen Blick auf das weiter oben gelegene Kloster hat. Bis hierhin ist der Weg weder steil noch anspruchsvoll, sondern ähnelt einem breiten Forstweg. Wem die Höhe hier schon zu schaffen macht, kann sich hier bequem niederlassen und bei einem Tee oder Snack die Aussicht genießen. Wer noch Energie für die zweite Hälfte des Weges hat, sollte sich das Café für den Rückweg aufsparen und erst einmal weiter bis zum Kloster gehen.
Der Weg wird jetzt etwas schmaler und steiler. Auf einem Stück müssen größere Steine überwunden werden, aber sonst ist der Weg weiterhin technisch nicht anspruchsvoll und sehr gut angelegt. Etwas steiler geht es weiter bergauf. Man passiert einen kleinen Schrein, der mit unzähligen kleinen Stupas geschmückt ist, je höher man kommt, desto mehr Gebetsfahnen wehen zwischen den Bäumen im Wind.
Schließlich wird der Weg wieder flacher und kurz vor dem Kloster erreicht man schließlich eine kleine Aussichtsplattform, von der man das beste Bild vom Kloster machen kann, das einem hier auf etwa gleicher Höhe gegenüber liegt. Kleiner Wermutstropfen für Fotografen: Die Sonne kommt am Morgen hinter dem Kloster hervor, so dass das Kloster immer im Gegenlicht liegt. Der beste Zeitpunkt für Fotos wäre der Nachmittag, allerdings ist der Aufstieg in der heißen Mittagssonne nicht empfehlenswert, weswegen die meisten Besucher dann doch am Morgen zum Kloster hinaufsteigen.
Wahrscheinlich um Besucher mit der passenden Portion Demut im Kloster ankommen zu lassen, müssen vom Aussichtspunkt noch etwa 250 - 300 Stufen hinab zu einer Brücke und auf der anderen Seite wieder hinauf überwunden werden. Hat man die Stufen überwunden, steht man auch schon vor der Pforte des heiligsten Klosters des Landes.
In sämtlichen Tempeln und Klöstern Bhutans darf im Inneren nicht fotografiert werden, so auch im Tigernest Kloster. Während das in anderen Klöstern auf Vertrauensbasis mit Schildern gehandhabt wird, geht man im Tigernest Kloster auf Nummer sicher: Rucksäcke, Handys und alle weiteren persönlichen Gegenstände müssen in kostenlosen Schließfächern am Eingang deponiert werden und ein “Tempelwächter” überprüft am Eingang, dass niemand ein Handy mit ins Kloster schmuggelt.
Im Inneren des Klosters gibt es neun Tempelräume, die alle besucht werden dürfen. In manchen der Tempel sitzt ein Mönch an einem kleinen Tischchen an der Seite und gibt den Pilgern gegen eine Opfergabe seinen Segen. Die Tempel sind alle mit unzähligen Buddha-Figuren und Bildern geschmückt. Die reichen Opfergaben der Gläubigen, die die Bhutaner und Inder in Plastiktüten hier hinauftragen, sind auf den Altären aufgereiht und (elektrische) Kerzen tauchen die Räume in schummriges Licht. Da das Kloster direkt in den Fels gebaut wurde, bestehen die Rückwände zum Teil aus dem nackten Fels und im Haupttempel befindet sich die Höhle, in der Guru Rimpoche damals meditiert haben soll.
Der Besuch des Klosters findet ganz individuell statt, so dass man sich so viel Zeit nehmen kann, wie man möchte, um die Tempel zu erkunden und die wunderschöne Atmosphäre in sich aufzusaugen.
Der Rückweg ins Tal erfolgt über den gleichen Weg, man muss also nach dem Verlassen des Klosters erst einmal wieder die unzähligen Stufen bergab und wieder bergauf meistern, bevor man von der Aussichtsplattform ein letztes Erinnerungsfoto schießen kann und dann wieder ins Tal geht. Auf dem Rückweg lohnt sich ein kurzer Stopp im Tigernest Café, um einen letzten Blick auf das Kloster zu werfen, bevor es zurück ins Tal geht.
Die wichtigsten Tipps für die Wanderung zum Tigernest Kloster:
Früher Start: Je früher man unterwegs ist, desto weniger Menschen begegnen einem im Aufstieg und es ist im Kloster noch viel ruhiger als später am Vormittag Zudem ist am frühen Morgen das Licht am schönsten.
Langsam, aber stetig: Auch erfahrene Wanderer mit guter Kondition können in der Höhe Probleme mit der Sauerstoffzufuhr bekommen. Ein stetiges, aber moderates Tempo ist die beste Taktik, um gut am Kloster anzukommen.
Tempelsocken: Der Boden im Tigernest Klosters ist aus Stein und eiskalt. Wie in allen Tempeln muss man beim Betreten des Klosters die Schuhe draußen lassen. Ein dickes Paar Socken hilft, den Besuch ohne eiskalte Füße zu genießen.
Hilfsmittel: Im Tal werden unweit des Parkplatzes Wanderstöcke gegen eine geringe Gebühr angeboten. Je nach Trittsicherheit kann es eine gute Idee sein, einen dieser Stöcke zu leihen. Zudem werden hier Pferde vermietet, die Fußlahme bis zum Tigernest Café und wieder zurückbringen. Wer gar nicht anders kann, dem sei mit Hilfe der Pferde der Blick auf das heilige Kloster vergönnt. Wer langsam aber sicher das Kloster aus eigener Kraft erreichen kann, sollte auf diesen Service lieber verzichten, da nichts zu den Haltungsbedingungen der Pferde bekannt ist.
Weitere Informationen zu Reisen nach Bhutan:
Der Tourismus in Bhutan ist stark reguliert und das Land darf nur im Rahmen einer organisierten Rundreise besucht werden. Wer nicht die Buchung eines Reiseführers und Fahrers über eine örtliche Agentur nachweisen kann, bekommt das für die Einreise erforderliche Visum nicht. Eine Tourismusabgabe in Höhe von derzeit 100 USD pro Person und Tag machen das Land zudem zu einem eher hochpreisigen Reiseziel. In Deutschland gibt es verschiedene Reiseveranstalter, die komplette Rundreisen durch Bhutan anbieten und bei der Visabesorgung behilflich sind.
Über den Autor*Innen

Christine Kroll
Mit einer Ausbildung zur Reiseverkehrskauffrau und anschließendem Studium der Tourismuswirtschaft hat Christine nach dem Abitur ihr Hobby Reisen zum Beruf gemacht. Seit über 20 Jahren arbeitet sie als Produktmanagerin bei verschiedenen Reiseveranstaltern. In ihrer Freizeit ist Christine am liebsten draußen. Je nach Saison findet man sie zu Fuß, mit dem Mountainbike oder auf (Touren-)Ski in den Bergen. Egal ob in den heimischen Alpen oder auf einer ihrer Reisen in Europa und der Welt, draußen aktiv zu sein gehört für Christine immer dazu.