Klettersteig Sas Rigais – Überschreitung von Gabi Dräger

Zum Sas Rigais geht es erst einmal gemütlich mit der Bergbahn zum Col Raiser und dann über Almwiesen leicht aufwärts. Ein mittelschwerer Klettersteig ist heute dran, erklärt Reinhard. Damit wir uns nicht zu sehr an einen Bergführer gewöhnen, geht heute nicht Albin sondern Reinhard, der Chef der Bergschule, mit uns. Wir wandern am Naturpark Geisler-Puez entlang und beginnen den Aufstieg im Geröll der Mittagsscharte. Mit verstohlenen Blicken suchen wir den Einstieg zum Klettersteig. Wir halten den Atem an – ein Einstieg, in dem ein Seil verläuft, endet in einem Kamin. Das Herz rutscht in die Hose. Nein, das ist eindeutig zu schwer. Reinhard bemerkt unsere verzweifelten Blicke und deutet auf die Mittagsscharte, die wir weiter aufsteigen müssen. Das Seil dort ist die Wasserleitung für die Kühe, so klärt er uns lachend auf. Befreites Aufatmen allerseits. Wir hatschen die Serpentinen aufwärts und erreichen den Südwest-Einstieg in den Klettersteig. Am Anfang gibt es seilgesicherte Passagen und dann geht es in Serpentinen im Geröll aufwärts. Drei junge italienische Burschen springen leichtsinnig in Turnschuhen, wie die Gämsen bergab. Wir gehen gleichmäßig mit kleinen Schritten aufwärts, das schont die Kondition. Der letzte Aufstieg über den Grat zum Gipfelkreuz führt über felsige und seilgesicherte Stufen und erfordert noch einmal unsere ganze Konzentration. Wir ziehen wir uns noch meistens verkrampft am Sicherungsseil hoch und unsere Arme werden müde. Eine Hand ans Seil und eine Hand am Felsen korrigiert uns Reinhard hin und wieder. Bei einem zwei Meter langen schmalen Gart der an beiden Seiten steil abfällt, hat Adrian aus Würzburg Probleme weiter zu gehen. „Du pocksch des schun, der Steig isch broat genua“, wird er von Reinhard ermuntert. Mit zusammengebissenen Zähnen und kleinen Schritten geht Adrian dicht hinter Reinhard über die ausgesetzte Stelle. Dohlen erwarten uns schon am Gipfelkreuz in 3.025 Meter Höhe. Sie verschmähen Brot und fressen nur Leckereien wie Schinken und Salami. Es fängt leicht an zu graupeln. Wir verlassen den jetzt unwirtlichen Platz und gehen an der Ostseite abwärts. Der Abstieg ist leichter als der Aufstieg. Umdrehen und vorwärts am Sicherungsseil gehen, das Gelände ist nicht so schwer, rät Reinhard. Wir stellen fest, dass wir dabei viel besser die Tritte sehen und lachen, als uns Reinhard erklärt, dass Gämsen auch nicht rückwärts durchs Gebirge gehen. Zurück an der Bergstation Col Reiser feiern Grödner in ihrer heimischen Tracht Kirchweih. Gestandene Mannsbilder lassen Peitschen schnalzen, deren Knall weit über das Tal hallt. Ein Chor singt La Montanara auf der Terrasse der Bergstation. Die Stimmung gleicht einer feierlichen Theateraufführung vor der Kulisse der Dolomiten. 


Ausgangspunkt: Bergstation der Gondelbahn am Col Raiser (2.107 Meter)
Zeit Anstieg zum Klettersteig: 1 1/2 Stunden
Zeit Aufstieg Klettersteig: 2 Stunden
Gipfel: 3.025 Meter
Zeit Abstieg Klettersteig: 1 ¼ Stunden
Schwierigkeit: leicht bis mittel
Höhenmeter Aufstieg Klettersteig: 900 Meter, davon 550 Meter Klettersteig
Höhenmeter Abstieg Klettersteig: 900 Meter, davon 350 Meter Klettersteig

 

Über den Autor*Innen

Gabi Dräger

Wo findet man Gabriele Dräger in den Bergen? Natürlich in einer Alm bei einer Brotzeit., denn Almen mit guter Küche ziehen sie magisch an. Gipfel nimmt sie auch hin und wieder mit. So hat sie einige 5.000er beim Trekking in Süd Amerika und Nepal, bestiegen. Ihre Hochleistung war der Kilimandscharo mit 5.895 Meter. Kultur und Brauchtum faszinieren sie genauso, wie Städte und Kunstausstellungen. Obwohl sie gerne in urigen Berghütten übernachtet ist sie dem Luxus von guten Hotels nicht abgeneigt.